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Erstes Bußgeld vor Gericht bestätigt

Am 9.9. fiel das erste Urteil über eine der forstrechtlichen Bußgeldforderungen aus der Heibo-Räumung. Am Amtsgericht Dresden bestätigte ein Jugendrichter die Forderung des Landratsamtes Bautzen nach 1250€.

Zwischen viel verwaltungsrechtlichem Hickhack und Polizei-Zeugen,die sich an nichts erinnern konnten war vielleicht das spannendste, wie die Person identifiziert wurde. Ein Bereitschaftscop erzählte, wie vor einer Demo in Dresden eine Fotomappe verteilt wurde mit Fotos mehrerer Aktivist*innen aus dem Heibo. Eine Person aus der Demo wurde erkannt, unter anderem von einem Beamten, der mittlerweile als „Erkenner“ oder „Superrecognizer“ geführt ist.

Das Urteil löste dann nicht nur durch die Höhe des Bußgeldes Verärgerung im Publikum aus, sondern auch durch das Angebot 125€ mit einem Aufsatz über Rosa Luxemburgs Zitat: „Die Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ zu bezahlen.

Ein persönlicher Eindruck vom Prozess

Da sitzen also Richter*in, Schriftführer*in, Staatsanwaltschaft, Landratsamt Bautzen, Zeugen, Verteidigung und die*der Betroffene*r zu 3 langen Tagen in diesem riesigen Gerichtsgebäude und verhandeln über ein Gesetz, dessen §1 lautet:

Zweck dieses Gesetzes ist es,

1.den Wald in der Einheit seines wirtschaftlichen Nutzens (Nutzfunktion) und seiner Bedeutung für die Umwelt, insbesondere für die dauernde Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, das Klima, den Wasserhaushalt, die Reinhaltung der Luft, die Bodenfruchtbarkeit, die Pflanzen- und Tierwelt, das Landschaftsbild, die Agrar- und Infrastruktur und die Erholung der Bevölkerung (Schutz- und Erholungsfunktion) zu erhalten, erforderlichenfalls zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nachhaltig zu sichern,

2.die Forstwirtschaft zu fördern und die Waldbesitzer bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz zu unterstützen,

3.einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldbesitzer herbeizuführen.

Man könnte denken: Endlich geht es im Gericht mal um den Schutz des Waldes. Schade nur, dass der entsprechende Wald schon vor mehr als einem Jahr abgeholzt wurde und mittlerweile nicht einmal mehr der Mutterboden da ist, sondern nur eine glatte Sandfläche. Schade, dass es gar nicht um die Abholzung und Gefährdung der Moore durch den Kiesabbau geht, sondern darum ob sich eine Person in einem für die Rodung gesperrtem Gebiet aufgehalten habe.

Statt über die Auswirkungen historischer Verträge zum Kiesabbau zu verhandeln, geht es stundenlang über die Rechtmäßigkeit der Bekanntmachung der Waldsperrung. Am Ende entschied der Richter, dass es sich eben um eine Bekanntmachung und keine Bekanntgabe handele, was auch immer das bedeutet. Auch der Einwand, dass eine mehrere Minuten dauernde Aufzählungen von Flurstücksnummern nicht erklärt welches Gebiet genau gesperrt wird, wurde einfach weggewischt.

Ich frage mich wie es wohl ausgesehen hätte, wenn in diesem Verfahren alle ehrlich und transparent gesagt hätten was sie wollen und warum sie entsprechend entscheiden, anstatt die eigenen Interessen in einem absurden rechtlichen Theater durchzudrücken.

Die Vertreter*innen des Landratsamt hätten vlt gesagt: Eigentlich ist uns ja egal ob die Person die Durchsage der Sperrung gehört hat. Hauptsache wir können irgendwen für diese Besetzung bestrafen und kriegen unser Geld. Hoffentlich funktioniert unser Plan mit dem Forstgesetz sonst hätten wir doch übers Versammlungsgesetz gehen sollen.

Der Richter würde vielleicht etwas davon sagen, dass so eine Aktion ja nicht ungestraft bleiben kann. Damit würde ja die Autorität des Staates infrage gestellt. 

Aber eigentlich würden wahrscheinlich alle nur sagen: Ich mach hier nur meinen Job. Dabei ist hoffentlich allen Beteiligten klar, dass es nicht um den Schutz des Waldes geht. Denn der wurde wenige Tage nach der Räumung abgeholzt und mittlerweile ist davon nicht einmal der Boden noch vorhanden, was all diesen aufgezählten Funktionen des Waldes auch durch die Gefährdung der Moore sehr stark und langfristig schadet.


Und am Ende kommt dann eben das gleiche raus wie immer: Egal wie häufig in Verhandlungen zuvor und in ebendieser darauf hingewiesen wurde, dass die staatlichen Akteure sich keineswegs an ihre eigenen Regeln halten, wird dieses Verhalten immer und immer wieder gerechtfertigt, während Handlungen, die zum Wohle von uns allen begangen werden und jeder Person, die sich einmal kurz zum Klimawandel informiert hat, absolut legitim erscheinen müssen, so hart bestraft werden, wie es irgendiwe noch möglich ist, ohne dass Staatsanwaltschaften und Gerichte den letzten Anschein verlieren, dass sie für Gerechtigkeit sorgen würden.


Was wieder einmal nicht zur Sprache kommt, ist der einzigartige Freiraum, den viele Menschen gemeinschaftlich über viele Monate zusammen aufgebaut und genutzt haben. 
Wie Viele von ihnen an diesem 15. und 16. Februar 2023 ein Zuhause verloren haben, eine Community, eine Perspektive, dass man nicht allen Scheiss immer einfach akzeptieren muss.
Wie Viele aber auch gelernt haben, dass es sich lohnen kann, sich gegen diese Zerstörung unserer Lebensgrundlage zur Wehr zu setzen, auch wenn es bedeutet, dass man unfassbar viel dafür aufgibt.


Stattdessen wird das skandalöse Urteil des Richters gewürzt mit einer ordentlichen Dosis Paternalismus und Erniedrigung,die sich durch das gesamte Verfahren zieht. Seinen Höhepunkt erreicht dieses Verhalten als er die angeklagte Person „einlädt“ im Tausch für einen „Rabatt“ auf das Bußgeld einen Aufsatz zu schreiben über das Zitat „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ von Rosa Luxemburg. Natürlich geht es dem Richter hier, wenn er von Freiheit der Andersdenkenden spricht, nicht um die Freiheit der kleinen Minderheit, die sich immer noch für wirksamen Klimaschutz einsetzt. Nein ihm geht es um die Freiheit von Staaten und Konzernen, unsere Umwelt, unser Wasser unsere Wälder weiterhin im Übermaß zu zerstören um ein längst schon überholtes Paradigma von grenzenlosem Wachstum weiterhin zu erfüllen.

Es bleibt also dabei: 
Viele wirtschaftliche und staatliche Aktuere ignorieren weiterhin die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel und setzen ihre Profitmaximierung auf dem Rücken von allen Menschen, vor allem aber denen aus dem globalen Süden durch. Währenddessen bleibt für die, die ihre begrenzten Mittel nutzen, sich dagegen zur Wehr zu setzen nur Spott und Erniedrigung eines Jugendrichters, dem das Messaging von Klimaaktivist*innen zu „extrem und alternativlos“ ist.


Das einzige was uns im Kampf gegen diese Zustände noch bleibt, ist immer wieder klarzumachen, dass Widerstand gegen diese Politik, auch wenn er geltendes Recht verletzt, legitim und notwendig ist und bleibt und es immer wieder zu tun, wenn es nötig ist. Deswegen gilt unsere Solidarität auch Thea, einer Person, die vor einigen Tagen im Umfeld des Hanni in Saarbrücken inhaftiert wurde, wegen schwammiger Vorwürfe aus der Räumung von Lützerath (mehr Infos hier: https://barriohanni.noblogs.org/free-thea/)


Außerdem ist gerade jetzt wieder Rodungssaison, das heißt verscheidene Waldbesetzungen in Deutschland sind in den nächsten Monaten räumungsbedroht. Auch diese Orte freuen sich über Besuche und praktische Solidarität. mehr Infos findet ihr hier: https://dieti.blackblogs.org/
https://barriohanni.noblogs.org/mitmachen/
https://teslastoppen.noblogs.org/machmit/


Und auch die Repression ist nach diesem Urteil noch nicht vorbei, die nächste Verhandlung von verschiedenen Bußgeldern findet am 4.11. im Kamenz statt, auch das ist ein guter Termin, um Solidarität zu zeigen, mehr Infos folgen auf unseren Kanälen.